Die Mühle

Neben der Kirche ist die Mehl- und Ölmühle Winneknecht das älteste Haus in Spiekershausen. Wenn sie auch nicht schon seit 1515 an ihrer jetzigen Stelle stand, so hat sie schon existiert. Lesen wir die folgende handschriftliche Abschrift eines Vermerks des Ältesten aus der Winneknecht-Dynastie:
In „Niedersächsische Mühlengeschichte“ wird obige Urkunde wie folgt fortgesetzt:
„…Von weiteren Müllern dieser Familie konnten ermittelt werden: Heinrich Winneknecht bis 1883, Christian Winneknecht bis 1917, Richard Winneknecht bis 1946 und jetzt (1964) dessen Sohn Robert. Die mit Turbine arbeitende Mühle hatte früher ein großes unterschlächtiges Wasserrad. Die Einrichtung besteht aus drei Doppelwalzenstühlen und Schrotgang … „
A. Schlaefke unter „Die Entwicklung des Dorfes um 1515“:
„Die Erbauung der Mühle und neue umfassende Rodungsarbeiten konnten nicht ohne Folge für die Entwicklung des Dorfes bleiben. Der Mühlenbau erforderte eine erhebliche Menge von Bausteinen. Er kann der Anlass zum Erschluss weiterer Steinbrüche gewesen sein. Die Urbarmachung des Bodens zur Anlage neuer Acker war eine Arbeit von Jahren.Die Mühle war nicht nur Mehl- sondern auch Ölmühle und Schnapsbrennerei. Auf eine ehemalige Brennerei weist dervermauerte Gewölbebogen in einem rückwartigen Gebäude hin, das noch heute „Auf der Brennerei“ genannt wird.Die Mühle stellte den ersten Handwerksbetrieb im Dorfe dar, der ständig fremde Krafte beschäftigte, und derartige Verdienstmöglichkeiten brachten Leben ins Dorf ….

Mit der Erbauung der Stauanlage für die Mühle ist der zweite Aalfang, das Mühlenwehr entstanden. Der Mühle gehörten um 1800 die Unterste Aue, ein großer Teil der Klausbreite, die Krummen Stücke, die Acker Auf dem Mühlenkopf und das Wilhelmsland (siehe auch „Flurnamen der Gemarkung Spiekershausen“). Dieser ehemalige Besitz der Mühle war ein zusammenhängendes Gebiet am Walde, woraus hervorgeht dass hierfür Neurodungen stattgefunden haben.“Über die Stromerzeugung und das Ende der winneknechtschen Mühle erzählte mir kürzlich in einem ausführlichen Gespräch Herr Robert Winneknecht, der letzte aktive der Müllerfamilie:
Die Stromerzeugung, die 1919 aus kleinsten Anfängen, erst für den Eigenbedarf der Mühle aufgebaut wurde und später das ganze Dorf mit Strom versorgen sollte, wurde bis 1956 in eigener Regie der Familie Winneknecht betrieben. Es wurde Gleichstrom (220 Volt) erzeugt. Die Lichtleitungen führten über gesetzte Tannenmasten ins Dorf; alles in Eigenleistung konstruiert und gebaut. Der damalige Mühlenbesitzer Richard Winneknecht fand in seinem aus dem 1.Weltkrieg zurückgekehrten Vetter Willy Winneknecht einen technikbegeisterten begabten jungen Mann, der mit Enthusiasmus an den Aufbau des Stromnetzes in Spiekershausen ging. Ihm ist es vor allem zu verdanken, dass Spiekershausen als eines der ersten Dörfer im Landkreis Münden flächendeckend mit Strom versorgt wurde.
Der Stromverbrauch wurde monatlich abgelesen und gleich kassiert. Eine Quittungskarte aus den 50er Jahren „Robert Winneknecht – Elektrizitätswerk Spiekershausen“ für Arnold Kaiser befindet sich in meinem Archiv. Dort kann man nachlesen.

  • 4.2.1950 – Verbrauch 29 kwh = 3,48 DM + Leitungsgebühr = 2,40 DM
  • 4.5.1951 – Verbrauch 15 kwh = 1,80 DM + Leitungsgebühr = 2,40 DM

Im Winter war die Versorgung mit Strom sehr kritisch. Der Verbrauch stieg im Gegensatzzum übrigen Jahr stark an. Die Wassermenge und die Wasserkraft dagegen wurden geringer, da in den Wintermonaten das Nadelwehr „umgelegt“ wurde und für die Stromerzeugung eine geringere Wassermenge zur Verfügung stand. Auch Hochwasser machten die Stromerzeugung schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

Im Jahre 1956 übernahm die EAM die Stromversorgung von Spiekershausen. Das kleine Kraftwerk in der Mühle wurde an das Verbundnetz der EAM angeschlossen und leistete seinen bescheidenen Beitrag zur Stromversorgung in der Region. Für die stromverbrauchenden Haushalte bedeutete der Wechsel in der Stromversorgung (jetzt auch Wechelstrom), dass sie sich mit allen elektrischen Geräten einrichten konnten, ohne befürchten zu müssen, dass ihre neuen Geräte unter den vorher bestehenden Stromschwankungen zu leiden hätten. Erst im Jahre 1977 musste das Kraftwerk stillgelegt werden, bedingt durch die Kanalisierung der „Unteren Fulda“.
Der Mühlenbetrieb wurde im Jahre 1962 eingestellt. Die gesamtwirtschaftliche Lage, die für kleine Mühlen keinen Platz mehr vorsah, führte bundesweit zu einem „Mühlensterben“, dem auch die kleine Fuldamühle nach 447 Jahren zum Opfer fiel. Ein Mühlstein und anderes Mühlenzubehör auf dem Mühlenhof erinnern noch heute an die Zeiten, als an dieser Stelle für Spiekershausen und die umliegenden Ortschaften gemahlen wurde.
Heute sind einzelne Bereiche des Mühlengebäudes als Wohnungen und Lager vermietet. Eine Zukunft für das Mühlengebäude ist noch nicht zu sehen.

Quelle: Helga Haeberlin, erstmals veröffentlicht 1994 in der Festschrift zum 675-jährigen Jubiläum der Gemeinde, www.spiekershausen.de