Die Schule

Die Schule von Spiekershausen war nicht irgendeine Dorfschule, sondern sie achtete dank vorzüglicher, verantwortungsbewusster Lehrer, Männer mit Herz und Verstand, mit Vaterlandsliebe und Sittenstrenge auf Ausbildung und Bildung der ihr anvertrauten Jugend. Die Geschichte der Schule erzählt uns die Schulchronik, die seit dem Lehrer Heinrich Hegenberg um 1878 in einem handlichen Büchlein im DIN-A-5 Format geführt, in schwunghaften Lettern aus dem Schul- und Dorfleben berichtet. Über Alltägliches und Besonderes, Erfreuliches und Trauriges, Vergangenes und Künftiges. Besondere Erwähnung verdient der seit Dezember 1883 amtierende Lehrer Heinrich E. Wehrbein, dem wir bis zum Jahre 1927 eine ausführliche Fortsetzung der Chronik zu verdanken haben.

Schulklasse 1895

Ich kann an dieser Stelle nur wenige Auszüge bringen, aber sie werden den stolzen Eindruck einer guten Schule vermitteln. Fangen wir mit der Schulentwicklung’aus der Feder Hegenbergs an:

„In früheren Jahren mussten die schulpflichtigen Kinder von Spiekershausen nach Landwehrhagen zur Schule. Da aber der Weg nach dort (und namentlich im Winter) nicht der beste ist, so sah man sich genötigt eine eigene Schule hier zu bauen; auch trug das Wachsen der schulpflichtigen Kinderzahl viel zur Erbauung der Schule bei, die dann anno 1835 fertig wurde. Mit dem Schuldienste wurde zugleich der Organisten- und Küsterdienst verbunden.
Als erster Lehrer an dieser neuen Schule versah Theodor Hartmann seine Dienste bis zum Jahre 1840, als dann derselbe noch Uschlag hin versetzt wurde. Ihm folgte Lehrer Heinrich Kast. Derselbe war geboren am 11. Juni 1818, erlangte seine Ausbildung im Seminar zu Hannover. Er wurde nach Absolvierung seiner Studienzeit zuerst in Spiekershausen mit 50 Thaler = 150 Mark angestellt, versah seine Ämter bis zum Jahre 1876, in welchem er zum ewigen Leben abberufen wurde.
Da nach dem Tode des letztgenannten Lehrers die hiesige Schule ein Jahr hindurch unbesetzt blieb, so vikarierten an derselben die Lehrer Fredershausen aus Landwehrhagen und Kümmel aus Benterode, bis dieselbe im Herbst 1877 wieder besetzt wurde durch einen Präparanden Habenicht. Derselbe versah seine Ämter bis zum Herbste 1878, als dann die Stelle wieder vakant wurde.
Das Consistorium besetzte dieselbe durch den Lehrer Heinrich Hegenberg. Derselbe wurde geboren am 26. Februar 1855 zu Bochum. … Als ich (Hegenberg) diese Stelle übernahm, fand ich sowohl das Schulhaus, wie auch die Jugend vernachlässigt. Kinder, die zu Ostern entlassen werden sollten, konnten kaum oder gar nicht einmal lesen, so dass ich mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.
Da jedoch die Zahl der schulpflichtigen Kinder im Durchschnitt nur 30 beträgt (augenblicklich, 1880, sind es 27 in der Klasse), so ist es dem Lehrer hier, so er in der Arbeit an seiner eigenen Bildung und dem Unterrichte der Kinder Liebe übt und die rechte Treue beweiset, so sehr schwierig nicht, seine ihm anvertraute Jugend an sich heraufwachsen zu sehen in aller Erkenntnis und Tugend. Und aus solcher Jugend baut sich das Volk immer mehr auf zu einem Volke voll Erkenntnis und Gerechtigkeit, die ein Volk erhöhet in Haus, Gemeinde, Kirche und Staat.“
Auch über die Schüler wird genau Buch geführt mit Zugang/Abgang und Bestand. Sehen wir uns die Namen der Schulkinder 1881 an – mancher wird seine Vorfahren wiederfinden:

1. Minna Böttcher                 10. August Grimm                   19. Louise Rinke
2. Minna Rinke                      11. Peter Häde                          20. Georg Schütze
3. Elise Böttcher                    12. Ida Kast                               21. Elise Schütze
4. Auguste Buchheim           13. Wilhelm Kühne                  22. Ottilie Steinmacher
5. Louise Grimm                    14. Wilhelmine Kühne            23. Fritz Steinmacher
6. Conrad Grimm                  15. Hermann Penshonn         24. Georg Winneknecht
7. Georg Grimm                   16. Elisise Böttcher                  25. Marie Winneknecht
8. Friedrich Gimpel              17. Louise Grimm                    26. Carl Pechstein
9. Heinrich Grimm               18. Lisette Rinke                      27. August Böttcher

Spiekershausen – ein Bauerndorf! Geschlossen musste die Jugend zu gewissen Zeiten in der Landwirtschaft helfen – es gab Ferien! Nehmen wir einen Auszug aus 1881:

„Kartoffelhacke-Ferien waren vom Sonnabend,25.Juni incl.Sonntag,3.Juli 1881,also 8 Tage. Am Montag den 18. Juli begannen die Ernte-Ferien und endeten am 2. August incl., also 17 Tage. Die Kartoffelernte-Ferien begannen am Sonntag, 25. Sept. und endeten am Mittwoch, 12. Oktober 1881, also 17 Tage.

Übersicht über die Ferien

Ostern 11 Tage
Kartoffelhacken 8 Tage
Johannis 17 Tage
Michaelis 18 Tage
Weihnachten 9 Tage
Summa 63 Tage = 9 Wochen“
Neben den Ferien spielen die Krankheitszeiten eine große Rolle, wobei häufig die gesamte Klasse einer Epidemie oder der Gefahr einer solchen ausgesetzt war:

„Am 5. November 1883 bis 18. musste der Unterricht ausgesetzt werden wegen Ausbruchs des Scharlachfiebers.
Herr Pastor Grußendorf schrieb mir wie folgt: Herr Dr. Schwarzkopf erachtet es für nötig, voererst 14 Tage lang die Schule auszusetzen und hat dies auf dem königlichen Amte schon angezeigt. Sie müssen deshalb 14 Tage lang die Schule aussetzen, also ist morgen früh keine Schule. In Eile mit freundlichem Gruß ihr C. Grußendorf, Pastor“
Dazu gehört dann auch aus 1889

„Am 16. Juli begannen die Sommerferien des ausgebrochenen Typhus halber. Am 29. Juli begann die Schule wieder. An Typhus waren nur erkrankt Adolf Schütze, Meta Winneknecht und Heinrich Wehrbein. …
Der Typhusepidemie halber wurde am 18. August die Schule geschlossen.”
Und schließlich aus 1889, wo wiederum Typhus ausbricht, und zwar,„durch das schlechte Wasser in Caspar Schäfers Brunnen – derselbe wurde amtlich verschlossen“: auch hier eine Ausbreitung der Epidemie, so dass die Schule im August für gut 14 Tage geschlossen werden muß. Über Masern, Influenza und Diphterie finden sich immer wieder ähnliche Vermerke.

Nun zu Eintragungen des Lehrers unter der Rubrik Zucht und Ordnung in Spiekershausen:

„Am 21.Juli (1887) fiel der Unterrichtaus, da ich als Zeuge aufs Schöffengericht geladen war. Es wurden 8 junge Männer, die am Himmelfahrtstage in Spiekershausen den Gottesdienst gestört hatten durch ihr lärmendes Wesen vor der Kirche etc., zu 14 Tagen resp. 8 Tagen Gefängnis verurteilt.“

„Am 20.Oktober wurde der Schüler Wilhelm Hilke aus dem Roten Kater in Wolfsanger, der die hiesige Schule besuchte, seines groben Ungehorsams und seines rohen Wesens wegen aus hiesiger Schule entlassen und der Schule zu Wolfsanger überwiesen. Trotzdem Hilke (Vater) sich bemühte, durch falsche Aussagen und Behauptungen betreffend Umschulung nach hier, wurde er gezwungen, seinen ungeratenen Sohn, den er auch noch bestärkte in Ungehorsam, … nach Wolfsanger zu schicken.“
Respekt des Dorfschullehrers vor der Obrigkeit lässt die folgende Notiz – auch aus dem Jahre 1887 – erkennen:

„Am 4. Juli nachmittags war in Spiekershausen Schulvisitation. Anwesend waren Seine Hochwürden Herr Superintendent Schumann, Hedemünden, Herr Pastor Grußendorf, Landwehrhagen, die Kirchen- und.Schulvorsteher H. Schütze, Bauermeister, Herr Spohr, Ackermann und Gemeindevorsteher, H. Häde, Arbeiter. Es wurden Thema genommen aus Bibl. Geschichte, Singen (relig. Gesang), Deutsch (Lesen), Rechnen, Singen (Lieder). In Religion und Rechnen hatten sich einige Schüler und Schülerinnen so ausgezeichnet, dass ihnen das Lob Sr. Hochwürden, Herrn Superintendenten Schumann zu teil wurde.“
Das Dreikaiserjahr 1888 brachte mehrfache Gelegenheit des Beweises monarchischer Gesinnung auch in unserem Ort, wie folgendes Memo der Chronik zeigt:

„Am 9. März 88 starb Kaiser und König Wilhelm I. Das königl. Landesconsistorium erließ folgende Bekanntmachung.:
Es hat GOTT DEM HERRN über LEBEN und TOD gefallen, Se.Majestät den Kaiser und König Wilhelm, unsern allergnädigsten Herrn, am heutigen Tage 8 1/2 Uhr morgens aus diesem Erdenleben abzuberufen: Sämtliche Geistliche veranlassen wir hierdurch, am Sonntag, Judice, den 18. d. Monats, die Gemeinde nach der Predigt von der Kanzel mit entsprechenden Worten auf den Heimgang des ehrwürdigen Herrschers hinzuweisen und dann eine Danksagung folgen zu lassen. … In Gemäßheit der ergangenen Bestimmungen ist mit dem Trauergeläute in sämtlichen Kirchen sofort zu beginnen und 14 Tage lang täglich in der Zeit zwischen 12 und 1 Uhr mittags fortzufahren …“
Dasselbe Jahr 1888 bescherte bekanntlich bald eine Wiederholung des traurigen Ereignisses

„Am 15. Juni 1888, 12 Uhr 15 Minuten, wurde nach Gottes unerforschlichem Ratschluss unser lieber Kaiser und König Friedrich von seinem Leiden durch einen sanften Tod von dieser Zeitlichkeit abberufen. Die Beisetzung erfolgt am Montag, d. 18. Juni zu Charlottenburg in der Friedenskirche.
In Spiekershausen wurde seit Sonnabend, den 16. Juni, geläutet, und zwar 14 Tage lang.“
Beredtes Zeugnis hoher Achtung vor der Monarchie legt auch ein Bericht über den Kaiserbesuch in Kassel-Wilhelmshöhe mit Einquartierung des Prinzen Heinrich in der Schule von Niederzwehren am 11./12. Sept. 1891 ab. Der Zapfenstreich auf dem Friedrichsplatz mit „1200 Musikern“ und Zeichen der „Leutseligkeit“ des Prinzen gegenüber den Lehrern in Niederzwehren finden lebhaften Niederschlag in unserer Chronik.

Sogar „Wetterberichte“ gibt es, so z. B. für 1894

„ln der Nacht vom 30. Juni zum 1.Juli war ein sehr starkes Gewitter in hiesiger Gegend. Von Cassel nach Grebenstein war alles verhagelt. Ein Orcan zerstörte wiederAnlagen auf Wilhelmshöhe und Schloss Wilhelmsthal – 300 der schönsten Buchen im Habichtswalde wurden aus der Erde gerissen. 100 Pappeln. Die elektrische Beleuchtung auf Wilhelmshöhe ward zerstört und anderes.
In Spiekershausen regnete es 114 Stunde. Schon seit Wochen hat es hier nicht geregnet.“
Und schon für 1882 war berichtet worden

„Am Sonnabend, 25. November 1882, stieg das Wasser der Fulda zu einer solchen Höhe, wie es hiesige Einwohner seit dem Jahre 1842 nicht mehr erlebt hatten. Grimms Saal und Kühnens Haus standen vollständig im Wasser. Dieses reichte bis an den Steg, der bei der alten Linde über den sog. Krückenbach führt …
Am 25. November fehlten wegen Hochwassers

1. Georg Winneknecht
2. Maria Winneknecht
3. Wilhelm Hilke
4. Ottilie Steinmacher
5. Fritz Steinmacher
6. Peter Häde
7. Heinrich Grimm von Kragenhof

Wilhelm, Wilhelmine und Elise Kohne mussten wegen des Hochwassers ein Schiff benutzen, um aus ihrem Hause auf den Weg, der zur Schule führt, zu gelangen.“
Weiter berichtet die Chronik:

„Am 1. August 1895 wurde die Fuldaschifffahrt eröffnet. Vorläufig befährt ein Personendampfer die Fulda, vom 1. August 1896 werden 2 die Fulda von Cassel bis Spiekershausen täglich mehrere Male fahren.“

1898 findet sich – wieder aus dem außerschulischem Bereich – folgende Notiz

„Am 15. September wurde in hiesiger Kirche das von Professor Eberlein, einem geborenen Spiekershäuser, geschenkte Kruzifix übergeben. Herr Eberlein mit Frau Schwester waren zugegen. Herr Architekt Gruber aus Hannover, ein Freund Eberleins, übergab das Denkmal in warmen Worten, in welchen er auf die hier verlebte Jugend und das arbeitsame Leben des Professors hinwies. Lehrer Wehrbein übernahm seitens der Kirchengemeinde dankend das herrliche wertvolle Geschenk.“

Die beengten räumlichen Verhältnisse in der Schule – ein immer wiederkehrendes Thema – , der Tod des Landwehrhager Pastors Grußendorf am 8. Mai 1901, ein einschneidendes Ereingis in dem großartigen Verhältnis des Lehrers zu „seinem“ Pfarrer – alles Gegenstände der Schulchronik, die immer wieder Engagement unseres Lehres mit Herz und Seele erkennen lässt.

Zwei Seiten aus der alten Schulchronik mit Eintragungen der Lehrer Hegenberg und Wehrbein von 1883


Auch „Pannen“ blieben nicht aus
„Am Dienstag, den 29. August visitierte Herr Schulrat Sachse hiesige Schule. Die Visitation fiel nicht zur Zufriedenheit des hohen Herrn aus. Einesteils mögen die Kinder wohl sehr ermüdet gewesen sein, sie hatten schon von 3/4 7 tüchtig gearbeitet und 1/2 12 musste die Oberstufe antreten, nachdem dieselbe 1/2 11 Uhr von mir entlassen war. Dass es nicht berühmt gehen würde, konnte ich annehmen, da ich eine zu schwache Klasse hatte und meine Nerven gerade die Tage sehr gelitten – aber es ging schlechter als ich dachte. Auf ein Jena folgte ein Leipzig. – Es wird wohl Schluss in der alten Schule gewesen sein…“Hier wird nichts beschönigt, schon damals stand alles unter Erfolgszwang, wenn nicht sogar unter „Stress“!!
Endlich sind die Mittel für den Schulneubau da, und 1902 ist es so weit:
„Die neue Schule wurde am 16. und 17. Mai gerichtet. Die Gemeinde hatte für jeden Arbeiter eine Mark für Essen und Trinken bewilligt DieArbeiter haben für diese Ehre gedankt und haben durch andere Gönner einen Richttrunk erhalten.“
Aus den mehreren Vermerken zur neuen Schule hier nur als Auszug die Schilderung der Einweihungsfeier:
„Am Sonntag, dem 19. Oktober 1902 wurde die neue Schule feierlichst eingeweiht. Um 3 1/2 versammelten sich vor der alten Schule die Herren Kreisschulinspektor Pastor Müller, der Landrat von Stockhausen, Pastor Fahlbusch, der Kriegerverein von Spiekershausen, der Posaunenchor von Speele, die Schulkinder mit ihrem Lehrer und fast die ganze Gemeinde. Der Posaunenchor unter Leitung des Herrn Lehrer Meyer, Speele, spielte „Dies ist der Tag des Herrn“. Darauf hielt Herr Pastor Fahlbusch die Abschiedsrede. Die Kinder sangen „Unsern Ausgang segne Gott“.
Sodann setzte sich der Zug in Bewegung in folgender Reihenfolge: 1. Posaunenchor, 2. Lehrer und Schuljugend, 3. Schulvorstand, 4. Kreisschulinspektor, Landrat, Ortsschulinspektor, Bauherr Echelebe (?), 5. Kriegerverein, 6. Männer und Jünglinge, 7. Frauen und Mädchen.
Vor dem neuen Hause angekommen, sang die Gemeinde „Lobet den Herrn, den mächtigen König der Ehren“. Sodann verlas der Herr Kreisschulinspektor den 121. Psalm. Die Gemeinde sang darauf „Zeuch ein zu deinen Thoren“. Sodann hielt der Kreisschulinspektor Müller eine ergreifende Einweihungsrede über das liebliche Thema „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ und sprach darauf das Weihegebet. Die Kinder sangen allein ,“0 selig Haus, wo man die lieben Kleinen“. Sodann erfolgte die Übergabe des Schlüssels von dem Baumeister Echelebe (?) an den Herrn Landrat, derselbe übergab denselben in einer längeren Rede an den Kreisschulinspektor Müller: Sodann erhielt mit einer Ansprache den Schlüssel der Herr Ortsschulinspektor und derselbe gab denselben an den Lehrer. Mit einem Gelöbnis der Treue übernahm derselbe den Schlüssel, öffnete die Schule und lud die Anwesenden zum Eintritt. Gebet und Segen. „Nun danket alle Gott“. Ein Kaffee hielt die Versammelten einige Stunden im Schullokale zu säumen. Nachdem das Haus von Herrn Landrat und Herrn Kreisschulinspektor besichtigt, nahmen die hohen Herren Abschied. Die Gemeinde mit vielen Freunden hatte sich am Abend im Fuldagarten vereinigt und sind daselbst noch verschiedene Reden etc. gebracht worden. Es war ein schöner Tag. Möge Gottes Segen auf der Schule ruhen.“
 
Die erste Schulchronik schließt 1909 auf der letzten Seite mit einem Vermerk zur Besoldung des Lehrers:
„Von großer Bedeutung war das Lehrerbesoldungs-Gesetz von 1909, in welchem der Grundgehalt von 1.400 Mark und die Alterszulagen auf 400 Mark festgesetzt wurden; außerdem 100 Mark Zulage für den Lehrer, wenn er 15 Jahre an einer einklassigen Schule als erster Lehrer tätig gewesen. Als Küster bezieht er 300 Mark Gehalt. Leider sind die niedrigen Küsterdienste nicht geregelt.“
Die Schulchronik, die Hegenberg in dem kleinen Büchlein 1878 begonnen hatte, wird 1909 mit einem weiteren Dokument fortgesetzt, das formalere Gestaltung aufweist. Mit vielfachen Unterrtiteln wird in detaillierten Kategorien fast lückenlos abgefragt (leider von dem jeweils für die Führung der Chronik Verantwortlichen nicht immer genau und vollständig beantwortet) z.B.

  • der Schulort (Geschichte, Umgebung, Bewohner)
  • der Schulverband (Schulvermögen und -lasten, Lehrerberufung, Schulaufsicht
  • die Schule (Geschichte, Gebäude, Besoldung, kirchliche Ämter und Personalien der Lehrer)
  • Unterricht (mit 10 Untertiteln), Statistik, Prüfungen, Schulkinder, besondere Vorkommnisse
  • etc.

Schulklasse 1920

Unter weitgehender Wiederholung historischer Ausführungen findet der Weltkrieg mit den 11 Gefallenen des Ortes und ihrem kurzen Lebensbild mehrfache Erwähnung, der Straßenbau nach Sandershausen und nach Kragenhof, die Fuldakanalisierung, es wird jetzt auch kontinuierlich ab 1921 formell eine Schülerliste geführt (bis zur letzten Entlassung am 1.3.1973).
Über mehr als vier Jahrzehnte war Lehrer Heinrich Wehrbein Schreiber der Schulchronik – das rechtfertigt sicher einen Blick auf sein Leben: Geboren 1863 trat er nach dem Examen in Alfeld/Leine 1883 in Spiekershausen an – als Lehrer, Küster und Organist, wurde für den Kriegsfall der Landsturmreserve 2. Aufgebot zugewiesen und schreibt dann in der Rubrik „Personalien der Lehrer“ über sich selbst weiter
„… Wehrbein hat sich am 17. Juli 1886 verheiratet mit Wilhelmine Bach, einer Kaufmannstochter. Zwei Söhne, von denen der ältere zurzeit Postassistent, der jüngere stud. theol. studiert, sind ihm geboren. Am 7. Dec. 1908 feierte Wehrbein sein 25-jähriges Dienstjubiläum, reich beschenkt von seiner Gemeinde.“
Dann fällt jeder Schwung der Schrift in sich zusammen, und in kleinen, teigigen Schriftzügen vervollständigt Wehrbein die Eintragungen – seine letzten
„Am 10. Mai 1913 starb die Ehefrau Wilheimine nach langem Leiden im Diakonissenhaus zu Cassel. 1914 mussten beide Söhne mit ins Feld. Heinrich Wehrbein cand. theol. fiel am 19.10.16 in der Champagne bei Brieres, am 3.1.17 wurde er hier begraben. Albert Wehrbein kam als Feldpostsekretär zurück. Infolge dieser Schicksalsschläge hat Wehrbein eine Herzkrankheit. Eine Grippe November 1917 gefährdete seine angegriffene Gesundheit. Von dem 180 Pfund schweren Mann blieben 135 Pfund … 1916 erhielt Wehrbein das Verdienstkreuz für Kriegshülfe; er hat seit November 1913 den Ortsvorsteher vertreten müssen – eine arbeitsam und undankbare Aufgabe. 1918 erhielt Wehrbein den Kantortitel.Im Herbst 1928 wird Kantor Wehrbein pensioniert. Die Gemeinde bereitet ihm einen würdigen Abschied.“Die letzten beiden Zeilen des Zitats stammen schon von seinem Nachfolger, dem Lehrer Brümmer.

Schulklasse 1933

 
Jetzt findet sich auch die bis 1947 vervollständigte Liste der Lehrer von Spiekershausen, die ich hier selbst um die letzten drei Namen noch ergänzt habe:
 
Hartmann                                               1835 – 1840    

Kast                                                         1840 – 1876    

Vikarien Fredershausen und Kümmel    1876 – 1877    

Habenicht                                                1878 – 1878    

Hegenberg                                              1878 – 1883    

Wehrbein                                                 1883 – 1928

Brümmer                                                1928 – 1946

Bode (Speele)                                          1946 – 1946

Moldenhauer                                          1946 – 1954

Wohlforth                                                1947 – 1960

Habeck                                                   1954 – 1968

Gertler, Robert                                        1967 – 1968

Gertler, Irmgard                                     1968 – 1975

bis zur endgültigen Schließung der Schule in Spiekershausen,nach 1973 als Außenstelle der Mittelpunktschule Landwehrhagen.

Eine Schülerstatistik zeigt u. a. das Bild der Nachkriegswirren: man bedenke, dass die Schule über Jahrzehnte 30 – 40 Schüler betreute und liest jetzt

(Jahr)               (Schüler)            (Flüchtlinge)           
1946/47            70                     14           
1947/48            71                     16           
1948/49            87                     20           
1949/50            109                   25           
1950/51            111                   25

Es sei daran erinnert, dass nach der Schülerliste schon während des Krieges fast 50 Kinder aus evakuierten Familien (im Dorf oderWalderholungsheim untergebracht) und ebenso bis in die Nachkriegszeit Kinder durchziehender Flüchtlingsfamilien zusätzlich in Spiekershausen beschult wurden!
Dass der mit dieser Fluktuation stark gewachsene Aufgabenumfang mit den vorgegebenen sachlichen und personellen Mitteln bewältigt werden konnte, nötigt – trotz der zeitweise erfolgten Einrichtung einer 2. Lehrerstelle – schon Bewunderung ab!
Die Schule in Spiekershausen hat sich bewährt. 1835 wurde sie für die bis dahin nach Landwehrhagen wandernden Kinder hier eingerichtet, und ab Sommer 1976 wurden die letzten Kinder wieder nach Landwehrhagen („Mittelpunktschule“) geschickt.
 

 

Quelle:  Helga Haeberlin, erstmals veröffentlicht 1994 in der Festschrift zum 675-jährigen Jubiläum der Gemeinde, www.spiekershausen.de